Holistisch | betrachtet das Kind in seiner Gesamtsituation |
Ontogenetisch | der Störung der körperlichen, geistigen und/oder sozialen Entwicklung entsprechend |
Methode | hängt von den individuellen Bedürfnissen des Kindes ab |
Entstehungsgeschichte der Methode HOM
1991 wurde unter der Patronanz von Frau Univ.-Prof. Dr. Lotte Schenk-Danzinger der Österreichische Bundesverband Legasthenie gegründet. Gründungsmitglieder waren neben betroffenen Eltern PsychologInnen, PädagogInnen aus allen Bereichen, Sonder- und HeilpädagogInnen, ÄrztInnen und an dem Thema Interessierte.
Nach einiger Zeit der Tätigkeit im Verband kamen wir zu der Erkenntnis, dass es zwar viele LehrerInnen, PsychologInnen und andere Professionisten gab, die sich redlich bemühten, legasthenen Kinder zu helfen, jedoch fehlte die Effizienz und es herrschte Unzufriedenheit bei den KlientInnen. Dies brachte uns zum Nachdenken.
In unserer Nachdenkphase bemerkten wir an uns selber, dass wir bei einer grundlegenden Übereinstimmung unterschiedliche Zugänge zu dem Thema Legasthenie hatten. Unsere Gruppe besteht aus Fachleuten aus verschiedenen pädagogischen/psychologischen Richtungen, daher gibt es eine Fülle von Ansätzen, die wir zu einem Ganzen verschmelzen wollten.
Eine gemeinsamer Grundkonsens herrschte in folgenden Bereichen:
jedes Kind muss in seiner Individualität betrachtet werden
- jede/r BetreuerIn muss Empathie für das Kind entwickeln
- kontrastive Methoden sind abzulehnen
- wissenschaftlich nicht fundierte Methoden sind kritisch zu betrachten
- Lesenlernen kommt vor dem Schreibenlernen
Im allgemeinen beherrschen BetreuerInnen eine oder zwei Methoden zur Betreuung legasthener Kinder. Dies mag oft der Grund sein, warum sie Kindern nicht effizient genug helfen können. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass LegasthenikerbetreuerInnen, egal welchen Grundberuf sie haben, eine spezielle und umfassende Ausbildung erhalten müssen.
Unsere Idee war, das Wissen der PädagogInnen, die etwas von Methodik und Didaktik verstehen, mit dem Wissen der PsychologInnen, die etwas von psychischen Problemen und Lernproblemen verstehen, zu verbinden.
Daher suchten wir einen Weg, beide Wissensgebiete sinnvoll miteinander zu verbindet.
1994 starteten wir unseren ersten Fortbildungslehrgang, mittlerweile halten wir den 24. Lehrgang ab. In all den Jahren haben AbsolventInnen aus ganz Österreich und Südtirol ihre LegasthenietherapeutInnenausbildung bei uns erfolgreich abgeschlossen.
Mehrere Methoden werden in unserer Fortbildung vorgestellt und wir ermutigen unsere HörerInnen zur Weiterentwicklung, Verbesserung und Einbringung eigener Ideen.
Ebenso ist es uns wichtig, die HörerInnen neugierig zu machen und die Entwicklungen auf dem Gebiet der Legasthenieforschung zu verfolgen.
Grundlagen der Methode HOM
Magda Klein-Strasser
HOM – die Methode des Österreichischen Bundesverbandes Legasthenie
2 Die Grundlagen der Methode HOM
- Empathie
- Wertschätzung des Kindes/Jugendlichen
- Beobachtung des Kindes/Jugendlichen
- Elterngespräch
- Hypothesenbildung
- Wahl der Methode
- Evaluierung, gegebenenfalls Änderung der Methode
- interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verwandten Betreuungsformen
3 Zum Aufbau unserer Therapie
3.1. Theoretische Grundlagen
Wir sind sehr daran interessiert, dass unsere TherapeutInnen theoretische Grundlagen und Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Lese-Rechtschreib- Rechenschwäche und verwandten Gebieten kennen und auch in ihre Betreuertätigkeit einfließen lassen.
Hier wesentliche Themenkreise:
- Legasthenie- und Dyskalkulietheorien, Forschungsüberblick
- Entwicklungspsychologie, Störungen der Persönlichkeitsentwicklung
- Ätiologie und Diagnostik von Lernschwierigkeiten
- Lernprozessmodelle
- Lernorganisation, Lerntypen, Lerntechniken
- Phonetik und Phonologie
- Kommunikationstheorien, Beraterische Kompetenz
- Teilleistungskonzepte
- Phonologische Bewusstheit
- Bewertung von Übungs- und Fördermaterial
- Lehrpläne aller Schultypen
- Spätlegasthenie
- Fremdsprachenlegasthenie
- Legasthenie bei Erwachsenen
3.2. Betreuungsmethoden und Techniken
Sie werden nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt und stellen den Schwerpunkt der Betreuung dar.
3.2.1 Motivation
Wir erklären dem Kind/Jugendlichen, dass es/er weder dumm noch faul ist. Wir versichern dem Kind/Jugendlichen, dass es/er sehr wohl lesen, schreiben und rechnen lernen kann, es allerdings auf Grund seiner Schwäche mehr Zeit und andere Übungsformen als seine Klassenkameraden braucht. Darum sollen die Stunden so lustvoll wie möglich gestaltet werden.
3.2.2 Soziale Kompetenz
Dem Kind/Jugendlichen muss ein Weg aufgezeigt werden, wie es/er im Klassenverband mit den andern Kindern und LehrerInnen umgehen soll. Es/Er muss lernen, wie es den /die LehrerIn in geeigneter Weise auf sich aufmerksam macht. Legasthene Kinder/Jugendliche neigen dazu Verhaltensprobleme als Sekundärsymptome zu entwickeln. In schwerwiegenden Fällen sollte psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass diese Verhaltensprobleme ihren Ursprung in der Lese-, Rechtschreib-, Rechenschwäche haben.
3.2.3 Wahrnehmung und Training der basalen Fähigkeiten
Wichtig ist die genaue Einschätzung der basalen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dem Aufspüren der Ressourcen kommt eine zentrale Bedeutung zu, Nachreifen soll angeregt, bereits erfolgreiche Strategien ausgebaut werden.
3.2.4 Vermeidung kontrastiven Unterrichts
1905 erkannte Paul Ranschburg die Tatsache, dass es beim Erfassen ähnlich lautender Lerninhalte zu Merkhemmungen kommen kann. Dieses Forschungsergebnis machen wir uns zunutze, indem wir es vermeiden ähnlich klingende Wörter auf kontrastive Weise anzubieten. Ein Beispiel: Stellen Sie nie in einer Einheit die Worte „seid“ und „seit“ einander gegenüber. Damit rufen Sie auch bei nichtlegasthenen Kindern/Jugendlichen garantiert Verwirrung hervor und erzielen nicht den gewünschten Erfolg. Bearbeiten Sie zuerst den einen Begriff, festigen Sie ihn, legen Sie eine Pause ein und dann erst erfolgt die Erarbeitung des zweiten Begriffes in derselben Vorgangsweise.
3.2.5 Lernstrategien
Wir unterstützen das Kind/den Jugendlichen bei der Erarbeitung seiner individuellen Lernstrategie. Positive Motivation und Hilfe zur Selbsthilfe stehen dabei im Vordergrund.
3.2.6 Lesen – Schreiben – Mathematik
Zuerst wird darauf geachtet, dass das Kind/der Jugendliche eine gewisse Fertigkeit im Lesen erlangt, bevor mit dem Schreib- bzw. Mathematiktraining begonnen wird. In der deutschen Sprache ist es nicht möglich eine phonetische Strategie im Schreiben anzuwenden. Der Hinweis: „Schreib, wie du es hörst“, führt zwar zu einer phonetisch richtigen Schreibung, die aber mit unserer tatsächlichen Rechtschreibung meist nicht den geringsten Zusammenhang hat. Wir zeigen dem Kind/Jugendlichen unter anderem die Strategie des Visualisierens, das heißt, sich ein Wort erst vorzustellen und es dann niederzuschreiben. In Mathematik muss das Kind/der Jugendliche die Angabe sinnverstehend lesen, um die Aufgabe richtig lösen zu können
3.2.7 Arbeit am Symptom
Wir halten nichts vom „ÜBEN – ÜBEN – ÜBEN“, sondern ermutigen das Kind/den Jugendlichen sich unter einem Wort, mit dem es/er Schwierigkeiten hat, etwas vorzustellen und einen Bezug dazu zu herzustellen. Es niederzuschreiben ist dann der letzte Schritt.
3.2.8 Aufsatztraining
Ein sehr wichtiges Thema für die Schule, werden doch die Noten der Schularbeiten häufig – entgegen Empfehlungen und Erlässen – allein für die Zeugnisnoten herangezogen. Auch ist das Erlangen einer „guten“ Note für das Selbstwertgefühl des Kindes/Jugendlichen besonders wichtig.
3.2.9 Kleine Schritte
Der Unterricht soll in kleine bis kleinste Arbeitsschritte unterteilt werden. Dafür muss aber auch jeder noch so kleine Erfolg gefeiert werden, während die noch vorhandenen Fehler nicht gezählt werden.
3.2.10 Fokus
Die Verschiebung des Fokus von den Defiziten zu den Stärken des Kindes/ Jugendlichen ist uns ein besonderes Anliegen. Es gibt kaum ein/einen Kind/Jugendlichen, bei dem sich nicht eine besondere Begabung oder Neigung finden ließe.
3.2.11 Loben
Der Erfolg gehört dem Kind/Jugendlichen. Durch seine Anstrengung ist es ihm gelungen, bessere Leistungen zu erzielen. Der/die TherapeutIn ist nur der/die HelferIn. Durch seine/ihre positive Einstellung zum Kind und durch permanent positive Motivation durch viel Lob hat er/sie dem Kind zu einer günstigeren Arbeitshaltung verholfen.
3.2.12 Einzelbetreuung
Sehr viele Betreuungen werden mit einem Kind/Jugendlichen abgehalten und diese verlangt nach speziellen Kommunikations- und Interaktionsmethoden.
3.2.13 Gruppenbetreuung
Die Interaktion in einer Gruppe Betroffener kommt besonders für Kinder/ Jugendliche in Frage, die Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen haben.
3.2.14 Praxisbegleitung
Um die Arbeit mit Kindern/Jugendlichen auch professionell begleiten zu können, haben unsere TherapeutInnen Gelegenheit, ihre konkreten Fragen in Supervisionsrunden zu stellen. Gemeinsame wird unter der Leitung eines/er KollegIn ein Lösungsansatz erarbeitet.
3.2.15 Elternarbeit
Der Erfolg einer Legasthenietherapie hängt nicht nur von der Arbeit mit dem Kind/Jugendlichen ab. Unsere TherapeutInnen werden auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit den Eltern hingewiesen. Lese-Rechtschreib- Rechenschwäche erweist sich häufig als ein familiäres Problem und bedarf deshalb auch gesonderter Betreuung.
3.2.16 Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Institutionen
Wir ermuntern unsere TherapeutInnen mit LogopädInnen, ErgotherapeutInnen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, AugenärztInnen, Hals- Nasen – OhrenärztInnen, MotopädagogInnen Kontakt aufzunehmen um eine umfassende Betreuung eines Kindes/Jugendlichen gewährleisten zu können.